Wenn Elternschaft zur Zerreißprobe wird

Papa sein Glückliche Ehe führen
von Kai Bösel

Ein Beitrag von Witalij Deifel

Am Anfang ist alles leichter. Die Partnerschaft läuft rund: Nähe, Intimität, gemeinsame Aktivitäten, Visionen. Ihr seid ein Team. Und dann kommt das erste Kind. Ein Traum wird wahr, oder?

Doch niemand bereitet euch wirklich auf das vor, was danach passiert. Denn die Geburt eines Kindes verändert alles radikaler, als man es sich vorstellen kann.

Vom Paar zum Elternteam und irgendwo dazwischen verlieren wir uns

Die Geburt bringt unbeschreibliche Liebe und gleichzeitig Chaos.
Plötzlich rücken all die Dinge, die euch als Paar ausmachten, in den Hintergrund: Nähe, Zweisamkeit, Leichtigkeit. Stattdessen kommen Schlafmangel, Verantwortung, Streit über Kleinigkeiten und die Frage: „Wo sind wir eigentlich geblieben?“

Die Frau ist auf Schwangerschaft, Geburt und das Kind fokussiert. Der Mann bleibt oft Beobachter. Er kann mitfühlen, aber er erlebt es nicht. Und genau das ist der Knackpunkt: Männer sind dabei, aber nicht mittendrin.

Ich erinnere mich noch gut an die Geburt meiner Tochter. Wir hatten als Paar gerade zueinander gefunden. Viel Liebe, viel Nähe, viel Leichtigkeit. Und dann kam das Kind, gewünscht, ersehnt, aber mit einer Wucht, die uns beide überrollte.

Der radikale Rollenwechsel

Während der Schwangerschaft verändert sich die Frau: körperlich, emotional, hormonell. Männer beobachten von außen. Im ideallfall helfen und unterstützen sie, aber sie durchlaufen keine Transformation. Das sorgt unbewusst für Distanz. Wenn das Baby da ist, wird diese Distanz oft größer. Die Frau ist Mutter, 24/7 im Kontakt mit dem Kind. Der Mann arbeitet, organisiert, funktioniert.

Elternschaft ist wunderschön. aber sie bringt ein komplett neues System mit sich.
Und dieses System testet jede Beziehung auf Herz und Nieren.

Plötzlich gibt es nur noch Termine, Stillzeiten, Kinderarztbesuche. Der Alltag frisst das Paar auf. Nähe wird ersetzt durch Organisation, Intimität durch Müdigkeit.

Und irgendwann wird aus dem „Wir zwei“ ein „Wir Eltern“.

Wenn Mama und Papa das Paar vergessen

Hier liegt die größte Gefahr.
Wenn ihr nur noch Mama und Papa seid, verliert ihr das Fundament eurer Beziehung. Das Nervensystem steht unter Dauerstrom, Schlafmangel macht alles schwerer, alte Themen brechen auf. Die Frau ist gestresst, sensibel, erschöpft. Der Mann versucht, zu halten, zu funktionieren und verliert dabei oft sich selbst.

Das Ergebnis? Missverständnisse, Rückzug, emotionale Distanz. Man redet weniger, man fühlt sich unverstanden. Und irgendwann lebt das Paar nebeneinander, aber nicht mehr miteinander.

Oft ist ein Kind für Paare, die dann als Eltern funktionieren müssen, eine große Herausforderung
© Liam Anderson (Pexels)

Warum Kinder alte Wunden öffnen

Ein Kind ist kein Problem, aber ein Spiegel. Es zeigt, was in uns noch ungelöst ist. Unbewusste Themen, alte Glaubenssätze, Verletzungen aus der eigenen Kindheit: All das kommt hoch. Wenn du dein eigenes Vater- oder Mutterthema nicht aufgearbeitet hast, wird dein Kind es sichtbar machen.

Ein Kind bringt Liebe, aber auch Wahrheit. Es hält uns einen Spiegel vor und wer nicht hinschauen will, erlebt Konflikte. Das ist kein Scheitern, sondern eine Einladung.

Doch genau hier zerbrechen viele Paare. Nicht, weil sie sich nicht lieben, sondern weil sie sich selbst nicht mehr erkennen und gleichzeitg darin verlieren.

Der mentale Härtetest

Ein Baby denkt nur an sich. Es schreit, wenn es Hunger hat, müde ist, Nähe braucht. Es kümmert sich nicht um Schlaf, um Termine oder Stimmungen. Und das ist richtig so, aber für Eltern brutal.

Wenn die Mutter zu viel trägt und der Vater emotional oder körperlich abwesend ist, entsteht Überforderung auf beiden Seiten. Die Beziehung kippt, das Nervensystem steht dauerhaft auf Alarm. Und irgendwann fragt man sich:

Wo ist das Paar, das wir einmal waren?

In diesen Momenten braucht es mehr als Durchhalteparolen.
Es braucht Bewusstsein, Mitgefühl und ehrliche Kommunikation.

Kommunikation, das unterschätzte Fundament

Ich glaube fest: Solange zwei Menschen miteinander reden, kann nichts wirklich kaputtgehen.
Das Problem beginnt, wenn das Reden aufhört. Wenn man Themen verschiebt, Gefühle runterschluckt, Erwartungen still werden.

Viele Männer haben nie gelernt, über Gefühle zu sprechen.
Viele Frauen sehnen sich nach Verbindung, stoßen aber auf Schweigen.
Und so entsteht eine kleine, unsichtbare Mauer, die mit jedem ungeklärten Gespräch wächst.

Reden bedeutet nicht, Recht zu haben.
Reden bedeutet, sichtbar zu bleiben.
Zu sagen, was dich beschäftigt. Zu hören, was den anderen bewegt.

Das Kind als Lehrmeister und Chance

Kinder sind Härtetests aber sie sind auch Lehrmeister. Sie fordern uns, ehrlich zu sein.
Sie bringen uns ins Jetzt, zeigen uns, wo Liebe neu gelernt werden will.

Wenn Eltern aufhören, als Paar zu existieren, spüren Kinder das. Sie merken Distanz, Spannung, Unausgesprochenes. Doch wenn Eltern lernen, miteinander zu sprechen, Konflikte auszuhalten und ehrlich zu bleiben, dann lernen Kinder das Wichtigste: Verbindung.

Unsere Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Sie brauchen Eltern, die bereit sind, miteinander zu wachsen.

Linktipp: Der eine Beziehungstipp mit dem Du Dir alles andere sparen kannst

Wie du als Vater gegensteuerst

  1. Akzeptiere den Wandel.
    Elternschaft ist keine Krise, sie ist eine Transformation. Sie fordert alles, aber sie schenkt auch Tiefe.
  2. Bleib im Gespräch.
    Rede über das, was dich bewegt, auch wenn es unangenehm ist. Sag, wenn du überfordert bist. Sag, wenn du Nähe brauchst.
  3. Erhalte das Paar.
    Schafft euch kleine Inseln: ein Spaziergang, ein Gespräch am Abend, ein Date ohne Kinder. Qualität statt Quantität.
  4. Verstehe die Hormone.
    Deine Partnerin erlebt körperlich und emotional eine Revolution. Verständnis ist kein Luxus, es ist Notwendigkeit.
  5. Übernimm Verantwortung.
    Für dich, deine Emotionen, deine Geschichte. Du bist das Vorbild. Dein Sohn lernt von dir, wie ein Mann mit Gefühlen umgeht. Deine Tochter lernt von dir, wie ein Mann sie behandeln sollte.

Fünf Jahre, zwei Kinder und wir sind noch da

Nach fünf Jahren und zwei Kindern, ohne Kindergarten, kann ich sagen: Wir haben viel gelernt.
Nicht, weil es leicht war. Sondern weil wir nie aufgehört haben, zu reden.

Wir sprechen über Sorgen, Ängste, Bedürfnisse, nicht nur über To-do-Listen. Und das hält uns verbunden. Denn solange Menschen miteinander sprechen, passiert nichts Schlimmes. Wenn sie aufhören, wird aus einer kleinen Distanz schnell ein tiefer Graben.

Das Geschenk der Elternschaft

Ein Kind verändert alles, ja. Aber es kann auch alles heilen. Wenn wir bereit sind, hinzuschauen, Verantwortung zu übernehmen und als Paar neu zu lernen, was Liebe bedeutet.

Unsere Kinder brauchen keine perfekten Eltern.
Sie brauchen Eltern, die sich trauen, ehrlich zu sein.
Eltern, die sich nicht verlieren, sondern gemeinsam wachsen.

Das ist die wahre Kunst der Elternschaft:
Nicht nur gute Eltern zu sein, sondern ein starkes, ehrliches Paar zu bleiben mit Höhen und Tiefen.

Witalij – Der friedvolle Krieger
Familienvater & Coach für Väter

Über Witalij Deifel

Witalij ist zweifacher Vater und kennt den täglichen Spagat zwischen Verantwortung, Belastung und dem Wunsch, ein guter Mann, Papa und Vorbild zu sein. Nach eigenen Erfahrungen mit Burnout und extremen Herausforderungen weiß er, wie wichtig es ist, sich weiterzuentwickeln, Hilfe anzunehmen, generationsübergreifende Themen aufzulösen und echte Präsenz für die Familie zu schaffen. Aus dieser Erfahrung heraus begleitet er Väter dabei, Klarheit im Chaos ihrer Gefühle und Gedanken zu finden und gestärkt zu dem Vorbild zu werden, das sie sich als Kinder selbst gewünscht hätten – um diese Klarheit auch an ihre eigenen Kinder weiterzugeben.
Mehr Infos: https://witalijdeifel.de/

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